Donnerstag, 27. April 2006

also schrieb er

vor einiger zeit habe ich in einer meiner unzähligen SZ-lektüren eine rezension gelesen über ein buch von h.-u. gumbrecht, den football-philologen aus stanford, der früher mal ein echter hot shot der akademia war und heute hier in old dschermany nicht mehr so ganz als la última coca del desierto gehandelt wird. 

nun denn, gumbrecht wird in besagter rezension also saftig verrissen - übrigens von einem tal andreas dorschel - und dann steht dort der kluge satz:

genauigkeit bemisst sich am verhältnis von wahrnehmung und denken zur sache, nicht am gewählten jargon.

zack. amén (sprach er und krümmte seinen rücken erneut über den tisch, an dem in zukunft die verse seiner magisterarbeit entwickelt werden sollen).

also schrieb er.

Freitag, 14. April 2006

die lenden

die lenden sind ein konzert von verheißungen, das versprechen einer eitlen schönheit gegen die sattlosen blicke der anderen. die lenden sind so schwach, weiß und weich, dass sie sich in die sphäre größter unnahbarkeit flüchten, um nicht preisgeben zu müssen, dass sie nur teil von etwas sind, durchgang zum ziel, übergang und nebensache. eitel wie es ihrer art entspricht, sind ihnen die lüsternen und geheimnisvollen kniekehlen genauso verhasst wie der reiche und machtvolle schoß, auf den sie unterwürfig hinführen. sie hassen diesen schoß, ihren selbstbewussten gebieter, für seine machtfülle, für sein ewiges, stolzes letzes wort, sie verachten ihn für die rolle, die er ihnen, den lenden, diesen ewig zweiten, verleiht.

die lenden sind die schwache schwester der starken oberschenkel, die zwar selten schön, aber immer bedeutend und wichtig sind, denen das rampenlicht so vertraut ist wie die verkleidung. da sie nie nach vorne schauen können und dazu verdammt sind, sich alles schöne, große und neue der welt erst von den oberschenkeln erzählen lassen zu müssen, sind sie etwas unbedarft, wenn sich jemand direkt an sie wendet.

sie neigen zuweilen zur schüchternheit und haben über die jahre gelernt, mit allem erzählten, mit jeder groß angekündigten anekdote skeptisch umzugehen. deswegen gelten sie auch als besonders klug und umsichtig. sie vertrauen keinem, der ihnen großspurig die welt als etwas strahlendes verkaufen wollte, sie kennen den schatten und haben gelernt, mit ihm umzugehen.

sie sind das schöne aber etwas blasse mädchen mit brille, das jeder in der schule übersieht und beim lauten wechsel von dem einem zum andern klassenzimmer anrempelt, ohne sich dafür zu entschuldigen. sie sind dieses blasse mädchen, das in drei von vier fällen mit zweiunzwanzig, wenn es zu sich und zu einem passenderen haarschnitt gefunden hat, so selbstbewusst geworden ist, dass es sich auf seine unbezweifelbare Schönheit nichts mehr einzubilden braucht. wir neigen dazu, uns an diese art von mädchen erst zu erinnern, wenn es zu spät ist, um noch einmal auf das gemeinsam erlebte zurück zu kommen. genauso verhält es sich mit den lenden und unserer oberflächigen beziehung zu ihnen. [...]


...mehr demnächst auf einer dieser lesungen in potsdam.

[dieser text ist teil einer gerade entstehenden reihe von texten, in denen ich mich schreibend körperteilen, besser: -regionen nähere, inspiriert durch die textsammlung werkzeugkasten oder caja de herramientas von fabio morábito]

Montag, 10. April 2006

Morabito escribe

el siguiente fragmento es el inicio de una fantástica composición asociativa acerca del tornillo pero comienza con un párrafo aclarando las profundas diferencias entre agua y aceite. blorges siente la urgente necesidad de compartir eso con ustedes:

el aceite es un agua con caderas, un agua impura que conoce el deseo, el tiempo y la muerte. en lugar de avanzar fluido y sin problemas como el agua, el aceite se insinúa y se contonea. mientras el agua, franca y anárquica, simplona y monótona, libera el mundo de todos su secretos, el aceite es un agua que carga con un secreto, un agua que se distrajo en algún recodo y desde entonces perdió su inocencia. es un agua "turbada".


fragmento de el tornillo
[caja de herramientas, 1989]

Freitag, 7. April 2006

stumm ist die nacht

der abend klingt aus und nach. es ist sturm im glas, aus dem wir trinken. am wenigsten stört die dissonanz, sie kennt uns gut genug. es ist dieser bodensatz, der bleibt, weinsteinrote brocken einsamer enttäuschungen. wir teilen auch so schon alles miteinander, warum dann nicht auch das.

heute ist es nicht leicht, da zu sein, wo das "für Dich" ungeduldig auf mich wartet. 

unsere uhr ist ein pendel. wenn es schlägt, dann aus und früh die stunde deines abschieds, der nicht mein morgen ist. wenn am abend deine geschichten in mein ohr tröpfeln, dann schlägt es frisch an meine schläfe. uhrenzeiger drängeln stur nach vorn.

der abend klingt jetzt aus und stumm ist die nacht. nach all den kleinen reden.