Freitag, 14. April 2006

die lenden

die lenden sind ein konzert von verheißungen, das versprechen einer eitlen schönheit gegen die sattlosen blicke der anderen. die lenden sind so schwach, weiß und weich, dass sie sich in die sphäre größter unnahbarkeit flüchten, um nicht preisgeben zu müssen, dass sie nur teil von etwas sind, durchgang zum ziel, übergang und nebensache. eitel wie es ihrer art entspricht, sind ihnen die lüsternen und geheimnisvollen kniekehlen genauso verhasst wie der reiche und machtvolle schoß, auf den sie unterwürfig hinführen. sie hassen diesen schoß, ihren selbstbewussten gebieter, für seine machtfülle, für sein ewiges, stolzes letzes wort, sie verachten ihn für die rolle, die er ihnen, den lenden, diesen ewig zweiten, verleiht.

die lenden sind die schwache schwester der starken oberschenkel, die zwar selten schön, aber immer bedeutend und wichtig sind, denen das rampenlicht so vertraut ist wie die verkleidung. da sie nie nach vorne schauen können und dazu verdammt sind, sich alles schöne, große und neue der welt erst von den oberschenkeln erzählen lassen zu müssen, sind sie etwas unbedarft, wenn sich jemand direkt an sie wendet.

sie neigen zuweilen zur schüchternheit und haben über die jahre gelernt, mit allem erzählten, mit jeder groß angekündigten anekdote skeptisch umzugehen. deswegen gelten sie auch als besonders klug und umsichtig. sie vertrauen keinem, der ihnen großspurig die welt als etwas strahlendes verkaufen wollte, sie kennen den schatten und haben gelernt, mit ihm umzugehen.

sie sind das schöne aber etwas blasse mädchen mit brille, das jeder in der schule übersieht und beim lauten wechsel von dem einem zum andern klassenzimmer anrempelt, ohne sich dafür zu entschuldigen. sie sind dieses blasse mädchen, das in drei von vier fällen mit zweiunzwanzig, wenn es zu sich und zu einem passenderen haarschnitt gefunden hat, so selbstbewusst geworden ist, dass es sich auf seine unbezweifelbare Schönheit nichts mehr einzubilden braucht. wir neigen dazu, uns an diese art von mädchen erst zu erinnern, wenn es zu spät ist, um noch einmal auf das gemeinsam erlebte zurück zu kommen. genauso verhält es sich mit den lenden und unserer oberflächigen beziehung zu ihnen. [...]


...mehr demnächst auf einer dieser lesungen in potsdam.

[dieser text ist teil einer gerade entstehenden reihe von texten, in denen ich mich schreibend körperteilen, besser: -regionen nähere, inspiriert durch die textsammlung werkzeugkasten oder caja de herramientas von fabio morábito]

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