1978
[Sommer 2005]
1978 war ein merkwürdiges Jahr. Zweimal verkündete der Vatikan stolz der Welt „Habemus papam!“, doch erst beim zweiten Versuch hielt der Gottessegen und das fast 27 Jahre lang. Es war das Jahr, in dem der erste deutsche Astronaut ins All geflogen ist und hätte ich nicht vor einiger Zeit „Good bye, Lenin“ gesehen, dann wüsste ich heute wahrscheinlich nicht, dass Siegmund Jähn ein Ostdeutscher war und würde mich leise darüber wundern, warum mir weder sein Name noch seine bahnbrechende Tat bisher ein Begriff waren.
Ich bin in Bonn aufgewachsen und da ist der Osten sehr weit weg. Zuerst existierte er gar nicht und war die unbekannte Fläche um West-Berlin, das aber auch kaum existierte. Von Wenders Film war mir nur die Stille in Erinnerung geblieben und das traurige Gesicht von Bruno Ganz, den ich aber wieder vergessen sollte. Den Osten gab es erst, als 1989 die Mauer fiel und ich mich auf einem Fest von Parteifreunden meines Vaters wiederfand, bei dem die Tische mit schwarz-rot-goldenen Papierdecken geschmückt waren. Das hat mich zwar gehörig irritiert, aber ich war noch zu jung, um dazu eine Meinung zu haben. Irgendwann standen alle Erwachsenen um den Fernseher herum, sangen die Nationalhymne und einige weinten. Später gab es ein Feuerwerk, aber das konnte man von dem Garten des Parteifreundes nicht so gut sehen, es standen zu viele Bäume im Weg.
1978 heißt ein Buch, das in diesen Tagen auf den Markt kommt und eine Reihe begründet, die sich „Diskothek“ nennt und die letzten 50 Jahre der Popgeschichte aufrollen will. Buch plus Musik. Das Booklet-Prinzip einmal andersrum. Merkwürdig nur, dass die bei 50 Jahren Popgeschichte genau im Jahr 1978 anfangen…das kann kein Zufall sein. Gerade höre ich auf Radio Eins, dass es dort jetzt eine neue Sendung geben wird, die heißt „Diskothek“ und stellt in jeder Sendung ein Jahr aus den letzten 50 Jahren Popgeschichte…
So etwas nennt man „Cross-media-promotion“ und da es sich in diesem Fall um meine Stammzeitung und -radiosender handeln, die hier Hand in Hand aufgemotzte Sampler verkaufen, finde ich das gar nicht mal schlecht. Ich kann es gar nicht schlecht finden. Aber kaufen werde ich das nicht, ich hab ja schon die SZ-Bibliothek und die nimmt soviel Platz ein, dass ich mir gleich ein zweites Bücherregal kaufen musste. Immerhin hab ich nun einen Band der Diskothek, der bleibt jetzt wie ein Botschafter neben der Anlage stehen und kann mir vorschwärmen, wie toll es wäre, doch mal all seine Kollegen kennen zu lernen. Doch ich werde nicht weiter zuhören. Mich interessiert nur die 1978.
Quersumme 25, also eigentlich 7. Immer diese sieben.
Ich werde an einem 16. September 2005 heiraten. Das ist nach ein bisschen Kabbala dreimal sieben, doch eine gute Freundin hat mir mit viel Hoffnung in den Augen gesagt, das sei ein gutes Zeichen, die sieben sei überhaupt ein gutes Zeichen und dieses, das Jahr 2005, gerade deswegen auch ein gutes. Sie will in diesem Jahr hier in Berlin eine Buchhandlung eröffnen, in Mitte. Hier ist jeder zwischen 25 und 30. Wir merken langsam, dass wir auch eine Generation sind und werden dabei langsam erwachsen. Es ist wie vor einer Theaterpremiere: Weil ich etwas nervös bin, muss ich dauernd aufs Klo, aber ich freue mich auf das Stück, das Publikum, das Licht.
Für uns alle ist irgendwann mal Zeit fürs Licht.
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